Mittwoch, 23. November 2011

Erotische Übertragungsbeziehungen bei Frühgestörten


Übertragung ist das unbewusste Zusammenspiel zweier Lebensgeschichten. Übertragungen können durch den psychischen Zwang zur Wiederholung in einer aktuellen Inszenierung zu einer traumatischen Inszenierung für einen oder für "BEIDE" werden. Was bei der Übertragung geschieht ist die “falsche Verknüpfung” von einem Beziehungswunsch an den Anderen, der eigentlich einer Person der Vergangenheit gilt…einerseits. Andererseits ist tatsächlich das "DU" als Anwesender gemeint.
Es liegt ein unbewußter Wunsch zugrunde, den jeweils anderen, das "DU" dazu zu bringen, das "ICH" zu lieben. Das bleibt nicht ohne Wirkung. Bleibt nie ohne Wirkung. Wozu ist dieser unbewußte Versuch gut? Was ist das Ziel?
Heilung! Wenn man so will: der Versuch, die Liebe zu befreien. Der verzerrte Versuch durch aktive Wiederholung ein Kindheitstrauma zu überwinden. Ein Mädchen muss sich in den Augen des Vaters attraktiv fühlen können und dürfen, damit später ein Vertrauen in die Weiblichkeit entwickelt werden kann. Wenn das Mädchen nicht gesehen worden ist, nicht mit Attraktivität, nicht mit Leistung…dann ist das der Beginn des Problems. Das muss das "ICH" immer wieder wiederholen, um aus dem Konflikt auszusteigen, dann ist es verführerisch. Aber nicht erfolgreich, fühlt sich nicht attraktiv und nicht gesehen. Dieses Trauma muss überwunden werden. Und wie soll das gehen?
Es muss zunächst ein basales Verstehen zwischen dem Unbewussten des "DU" und dem Unbewußten des "ICH" geben. "Unbewußtes erkennt Unbewußtes unbeirrbar". Wie das geht ist lebensgeschichtlich zu erklären, es macht eine gemeinsame Sprache möglich. Zwei Lebensgeschichten verbinden sich unbewußt durch ihre Entwicklung, wie Magnete werden "ICH" und "DU" magisch aufeinandergezogen, ohne bewusst zu verstehen, warum, die erotische Übertragung beginnt in der ersten Sekunde des Aufeinandertreffens.
Was NICHT die gewollte Heilung bringt in einer erotischen Übertragung ist folgendes:
Das Ausagieren der erotisierten Gefühle. DAS führt in die Dramatik. Das wäre wie der Bruch eines Inzesttabus, den der Vater an seiner Tochter begeht.
Ausagieren demontiert, vollkommen. Jede Behauptung das Demontieren im Ausagieren verhindern zu können ist eine Illusion, vor allem dann wenn ein "DU" der eindeutig Dominantere ist. Es herrscht bedingungsloses Vertrauen, das ist Teil der Übertragung und macht unendlich verletztlich.
Was auch nicht zur Heilung führt, ist den Kontakt abzubrechen, um so der Situation zu entgehen.
Zurück zur Frage, was denn nun tatsächlich hilft. Es ist ein Kunstgriff, der nur wenigen, selbst sehr erfahrenen Analytikern gelingt. Die erotische Übertragung annehmen. Und dabei ist zunächst unerheblich, ob die “Liebe” als Gegenübertragungsliebe entsteht oder ob sie eine direkte Gegenliebe ist oder ebenfalls eine Übetragungsliebe ist, die in der Geschichte des "DU" begründet ist.
Die Kunst liegt darin, die aufkommenden Spannungen, erotisierende Gefühle, Begehren, Wünsche…zu halten und sie sogar atmosphärisch empathisch mitzustimulieren. Sich darauf einzulassen, die Gefühle zuzulassen und ohne Hemmungen zu denken, was man sich selbst zunächst gar nicht vorstellen wollte und konnte. Angstfrei und freiwillig etwas benennen, wo das "DU" gut hätte verleugnen können.
Das fühlt sich auch wie ein Spiel der Macht an. Das "ICH" fühlt sich durchschaut und auch klein gemacht. Aber an der Stelle wird es zur Musterunterbrechung. Das "DU" muss das Begehren wahrnehmen und benennen. Das, was dem "ICH" zuvor nicht passiert ist, ohne dass es in der Folge missbraucht wurde. Nur zu leicht ist es für das "DU" zu verdrängen, vor allem wo es an etwas von ihm selbst rührt, das eigene bedrohliches Begehren. Damit, dass das "DU" das nicht tut, macht das "ICH" die Erfahrung, ungefährdet sexuell verführerisch und sexuell begehrenswert sein zu können. UNGEFÄHRDET!
Dazu ist es aber notwendig, sich berühren zu lassen, in Verbundenheit, für "BEIDE". Ohne Angst der Versuchung nachgeben zu müssen.
Die verwirrenden Gefühle müssen herausgearbeitet werden, benannt werden; auf "BEIDEN" Seiten.  In normalen gesellschaftlichen Bezügen würde man ja durchaus daraus folgern, dass es einem “Antrag” gleichkommt, intim werden zu wollen, wenn man über solche Gefühle spricht.
Das Aussprechen schafft ja bereits Intimität, der man gewöhnlich einen Korb verpasst.  Das nicht reale leben einer wie auch immer gearteten intimen Berührung führt dazu, dass es die Möglichkeit gibt, den evozierten Raum zu schaffen, der die Körperlichkeit möglich machen "könnte". Gleich den Ideen in Platons Höhlengleichnis. Damit wird der Verzicht auf direkte Körperlichkeit zum Gewinn eines evozierten Raums, der durch Körperlichkeit sofort zerstört würde und auch bei einer Verleugnung nicht auftauchen könnte. Der Verzicht von Körperlichkeit, der das Eintreten in die genitale Reife Stufe in Beziehungen überhaut erst möglich macht.
Die Einnahme einer exzentrischen Metaposition über "BEIDEN" ist die wichtigste Bedingung. Teil des heilsamen Prozesses ist das Reden über das Fühlen. Damit wird Triangulierung möglich, damit kommt das Dritte rein. Egal ob verbal oder non-verbal. In der Verständigung über Wünsche, Phantasien und Gefühle, um den Anderen damit zu erreichen, wird etwas Verbindendes geschaffen. Damit DASS "ICH" und "DU" reden wird gleichzeitig auch der Zustand der symbiotischen Verschmelzung beendet. Miteinander reden ist nur möglich bei deutlicher Getrenntheit. Damit dass das "DU" oder das "ICH" das Begehrliche, Phantasierte oder Evozierte ausspricht, damit wird eine Grenzverletzung verhindert, wird sozusagen das gesprochene Wort zum Gesetz.
Was wichtig ist, weil es das "ICH" und das "DU" davon trennt. Denn nicht das "ICH" oder das "DU" sind das Gesetz, welches “nein” sagt, sondern etwas Drittes.
Was dann entstehen kann, hat das Potential die die Angst vor dem alleine zu sein zu nehmen. Es gibt ein Gefühl von erfüllter Liebe und Wärme und Nähe, das ewige Sehnen nach dem mütterlich-paradiesischen Schoss hat ein Ende. Dazu muss die Übertragung aufgelöst werden, die Ent-wicklung der Ver-wicklung, die per projektiver Identifizierung in die Übertragung des Anderen reicht, in der das "DU" jeweils das "präödipale oder/und ödipale inzestuös gefährliche Objekt" ist, welches das jeweilige "ICH" zu vernichten droht.
Wenn das der Kern einer (Übertragungs-) Beziehung ist, dann braucht es die Sicherheit, dass das jeweilige "DU" nicht weggehen wird und das jeweilige "ICH" nicht vernichten wird. Beides nicht im Realen, sondern in der Übertragung.
Warum "inzestuös gefährliches Objekt"? Das inzestuöse Verlangen des Kindes zur Mutter, ist die Verlockung und der Wunsch zu verschmelzen und darin aufzugehen, sozusagen symbiotische Verschmelzung, von der Getrenntheit weg zur Einheit. Darin ist aber Entwicklung nicht möglich und deshalb müssen alle progressiven Wachstumsanteile zurück gestellt werden. Das ist für "BEIDE" gleichermaßen bedrohlich. Wenn das "ICH" nicht wächst, dann ist es tot. Das sind die Kognitionen auf Bewusstseinsebene, auf der unbewussten Ebene ist es die reaktualisierte Angst des Verschlungenwerdens durch die Mutter, die sich nicht abgrenzen kann und nur ihre eigenen Bedürfnisse realisiert und diese nicht zugunsten des Kindes zurückstecken kann. Und doch ist diese erste Lebenszeit in der Verschmelzung mit der Mutter, die, die das Fundament für alle späteren Liebebsbeziehungen bildet. Für Jungen und Mädchen gleichermaßen. Die erotische Übertragung ist das, was in diesen Zustand führt oder genau diesen Zustand zum Ziel hat. Es ist eine Objektsuche, die immer wieder eine präverbale Erinnerung inszeniert. Die erotische Übertragung signalisiert das Auftauchen des Wunsches, ein neues transformierendes Objekt zu finden, das intrapsychische Veränderungen ermöglichen wird. Jene innerpsychischen Konflikte aufzulösen, die depressiv ichbezogene Mütter im "ICH" und im "DU" gleichermaßen geschaffen haben.
Die Fähigkeit, zu lieben oder erotische Bindungen aufzubauen, ist jedoch kein Ziel, sondern ein Prozeß. Es gibt keine Position außerhalb des Erotischen, die Nähe zulassen würde. Jeder Versuch, das Erotische zu verstehen, ist an sich ein Akt erotischer Entwicklung: ein Akt der Liebe und Intimität auf den tiefsten Ebenen. Der regressive Sog, der von symbiotischen Verschmelzungsphantasien ausgeht, bringt uns dazu, etwas aus der Vergangenheit wiederzuentdecken und zu suchen, immer und immer wieder. In dieser Suche wird oft Sexualität mit Erotik dann verwechselt. Ohne zu finden, was man sucht, vielleicht für Sekundenbruchteile, aber nicht als gesättigtes Gefühl.

Die selbstbezognen Depression der Mutter führt zu einer massiven Verletzung des narzißtischen Omnipotenzgefühls des Säuglings, weil er nicht das Strahlen in den Augen der Mutter herbei führen kann, das er bräuchte, um die symbiotische Situation als Ausgangspunkt für späteres Wachstum zu erleben und nicht als dessen Bedrohung. So führt langer Augenkontakt, länger als die gesellschaftlich vertretbaren 5 Sekunden, zu sofortiger Reaktualisierung der frühen Sehnsucht, denn das früheste Mutter-Kind-Paar ist das einzige, das auch diesen langen Augenkontakt hält, in dem der Säugling gesunde narzißtische Spiegelung erfährt, oder eben nicht, wenn die Mutter, aus welchen Gründen auch immer, das nicht kann. Die Suche danach hört nie auf. Deshalb ist Blickkontakt gleichermaßen bedrohlich und reizvoll, deshalb verfällt man schnell in aggressive Abwehr. Dieses Gefühl ist scheinbar nicht zu ertragen, wenn es nicht in körperlicher Verschmelzung endet, die scheinbar das Äquivalent ist.
Mit Sexualität würden dem "ICH" und dem "DU" die Chance verbaut, daran zu wachsen, zu verinnerlichen. Denn es ist gerade die inzestuöse Grenze, die das Gefühl zu einem sicheren Gefühl macht. Und es ist in seiner Grunderscheinung völlig asexuell, nicht genital, eben nur erotisch.
Aber die Erotik wirft Licht auf die verborgensten Winkel der Psyche, auf selten bis nie betretene Pfade des Innenlebens. In der Beziehung zu jemand anders besteht das Wesen des Erotischen darin, diese beiden Menschen auf der intimsten und tiefsten Ebene aneinander zu binden. Daher ist die erotische Übertragung potentiell das einflußreichste und positivste Element in einem solchen Prozeß, den man nur therapeutisch nennen kann, wenn es nicht die ursprüngliche Mutter-Kind-Beziehung ist.
"In der glücklichen Liebe verbinden sich drei Elemente:(1) das Wiederfinden früher Liebesobjekte auf verschiedenen Ebenen (2) die Verbesserung gegenüber dem alten Objekt, weil man findet, was man nie hatte; (3) ein gewisser Grad an Spiegelung des Selbst im geliebten Anderen."

Und genau das bietet die erotische Übertragung an, ohne gebunden zu sein an verbindliche Beziehung, in der Freiheit. Wenn wir es dann schaffen, nicht zu agieren, dann gibt es die Chance auf heilsame Veränderung. Eben weil die erotischen Liebesstrebungen sublimiert werden können, läßt sich die Übertragungsliebe in den Dienst der auf Einsicht beruhenden Heilung stellen.

Sexualisierungsstrebungen dienen dabei eher dem Zweck narzisstischer Bedürfnisse und feindseliger Wünsche. Diese verhindern dann, dass die bedeutsamere erotische Phantasie, nämlich der (präödipale) Wunsch, mit allen Fehlern und Schwächen geliebt zu werden, zu Tage tritt. Der macht verletzlich. Und dieses Gefühl haben zu dürfen und zulassen zu können, was letztlich dem verbotenen inzestuösen Wunsch entspricht, das zu containen, im besten Falle gegenseitig, DAS ermöglicht gesunde Entwicklung und reifere innere Objektkonstanz, die dann narzißtisch weniger verwundbar macht.
Aber gerade in diesem symbiotischen Sog an die frühe mütterliche Spiegelung liegt eine Gefahr, die "BEIDE" zu vermeiden suchen, da er Angst macht. Vor allem aber der männliche Teil, da es der Verlust der Männlichkeit, ja ein scheinbarer Rückschritt auf die prägenitale Stufe ist. Nur ist es kein Rückschritt, sondern die Voraussetzung zum Eintritt in die genitale ödipale Situation, unter Verzicht auf narzißtische Omnipotenzgefühle.

Eine erotische Übertragung ist der Ausdruck eines Wachstumswillens, der mit Versäumnissen der ersten Jahre zusammen hängt, doch zumeist verkannt wird und dann das Trauma vergrößert und die Chance auf Heilung verkleinert, wenn es zum Agieren oder Flüchten kommt.

Dienstag, 20. September 2011

Philobat II

Die Erklärung liegt ausserhalb eines Narzissmuskonzeptes, das finde ich beruhigend. Und die Erklärung ist mir ein Hoffnungsschimmer, weil ich etwas verstanden habe, was ich vorher nicht verstand. Durch Anklammerung kann es niemals ein Gefühl von Gehaltenwerden geben.
Was habe ich verstanden? Stelle man sich eine schwarz-weiss-Welt vor, das ist für den Moment einfacher. Der Oknophile sieht in den Objekten die hellen Inseln in einer Welt, die sonst nur schwarz ist, alles was zwischen den Objekten ist, ist schwarz und dort droht Gefahr. Weil die Welt zwischen den Objekten schwarz ist, sieht er auch die Gefahren nicht. So sind die Gefahren nicht die Gefahren an sich, sondern alles, was nicht Sicherheit bedeutet, die Leere ohne Halt ist die Gefahr. Der Oknophile braucht seine niederen Sinne, braucht die Berührung, das Körperliche “haben” ist das Einzige, was wirklich Halt verspricht. Objekte sind Menschen, an die man sich klammern kann; Orte, die beruhigend sein sollen. Übergangsobjekte, die umklammert werden müssen. Zeit ist eine Gefahr, denn sie bildet gleichsam eine Leere zwischen den Berührungen. Da können SMS helfen, Mails, Anrufe, aber im Grunde tut es schon weh, wenn die Antwort nicht gleich kommt. Katastrophe, wenn es keine Beantwortung gibt. Der Weg von einem Objekt zum Nächsten (oder von einem Termin zum nächsten) ist von Angst umgeben und muss schnell überwunden werden.
Objekte, die sich umklammern lassen sind selbst Oknophile, die selbst die Hoffnung schöpfen, aus der Umklammerung Sicherheit zu gewinnen. Aber die kriegen beide nicht, sie enttäuschen sich gegenseitig, wenn sie sich ent-täuschen. Bei den meisten schlägt es wohl eher in unbewusste Aggression um, die dann gegen sich selbst und manchmal auch gegen Andere gewandt wird. Und sie endet in einem Weltbild, der Mensch sei schlecht und enttäusche immer, überall lauere immer Gefahr. So bildet sich im besten Fall ein psychosoziales Arrangement, in dem der Eine der Sicherheitsanker für den Anderen bildet in oft sich verschränkenden neurotischen Störungen. Und die Gefahr kommt ja immer wieder, wie aus dem Nichts. Durch die anklammernde Körperhaltung, des Einsatzes der niederen Sinne ist er gar nicht in der Lage, die Gefahr zu erkennen, geschweige denn ihr entgegen zu treten. Das Leitgefühl ist Angst. Die Objekte müssen um alles in der Welt verteidigt werden, sie sind der einzige Halt, sie stehen symbolisch für die liebende Mutter. Für diese Schwachheit verachtet der Oknophile sich selbst.
Der Philobat indes sieht die ihn umgebenden Objekte in weiss und auch die Zwischenräume in weiss, wodurch er die Gefahren, das Schwarz, deutlich sehen kann. So ist der Sinn des Philobaten der Gesichtssinn, er sieht der Gefahr ins Auge, die Körperhaltung ist eine offene, gerade, der Welt entgegen. Er sieht in den Zwischenräumen seine Welt. Dort erlebt er die “freundlichen Weiten” (Balint), ein “ozeanisches Gefühl” (Freud), den “Flow” (Csikszentmihalyi), denn er erobert seine Welt durch skills. Jede Gefahr bringt ihm die Entscheidungsfreiheit, sich zu stellen und ggf. neue Skills zu lernen oder auszuweichen oder auch nichts zu tun, was eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit ist. Aber dazu muss der Philobat gelernt und vor allem emotional verstanden haben, dass Objekte vom Subjekt getrennt sind. Die Trennung ist notwendig, weil sonst der Gesichtssinn nicht zum Tragen kommt. Ich kann mein Gegenüber erst anschauen, wenn eine zumindest minimale Trennung vorliegt. Je größer die Distanz, um so klarer der Blick auf die Zusammenhänge. Damit muss der Philobat die Sicherheit in sich tragen, dass Leben, Zärtlichkeit, Güte, Intersubjektivitätserlebnisse auch dann möglich sind, wenn man vom Objekt getrennt ist, entweder zeitweilig, als auch für immer.

Jede Gefahr, jede Veränderung bietet eine weitere Möglichkeit, die eigenen Skills zu überprüfen, sich seiner selbst zu überzeugen, das Einzige, worauf er sich verlassen kann. Objekte können verschwinden. Es gibt immer wieder neue Möglichkeiten, die erblickt werden können. Die Freiheit ist wichtig, er kümmert sich scheinbar nicht darum geliebt zu werden, weil er weiss, dass er wieder ein neues Objekt erobern kann, wenn er eines braucht. Die Welt ist ein Spielplatz, ein Jahrmarkt, auf dem man den Thrill sucht. Dies ist das Erleben einer jeden Eroberung, einer neuen Aufgabe oder Gefahr. Einer jeden Runde auf der Nordschleife, jede Eroberung eines Objektes, das einem dann gewinnbringend zulächelt und bereit ist, zu tun, was man gerade braucht. Der Thrill, die Angstlust.

Zur Ausführung, zum Leben dieses Thrills braucht es jedoch auch für den Philobaten der Objekte. Die noch so heroichsten Philobaten brauchen Objekte, seien es Waffen, die sie in Händen halten, elektrische Geräte, der Stab zum Hochsprung, die Skier, das MOTORRAD, er ist im höchstem Grade abhängig, um sich seine Unabhängigkeit immer wieder im Thrill zu beweisen. Damit ist Gefahr verbunden. Die Objekte haben eine gefährliche Anziehung für den Philobaten, die er nicht wahrhaben will. So wird die Gefahr eher in den Geräten selbst gesehen, als darin, sich von ihnen trennen zu können. Und so sieht es auch der Oknophile, er sieht die Gefahr auch nie im Objekt, sondern in der Welt und glaubt, sie könne vermieden werden, wenn er sich nur fest genug an das Objekt klammert.

Der Mensch sieht sich in der frühen Kindheit damit konfrontiert, dass die Objekte ambivalente Züge annehmen, ja sogar aggressiv sind. Darauf gibt es diese beiden Reaktionsweisen, oknophile Anklammerung an die Objekte oder das Vertrauen in die freundlichen Weiten, in der der Philobat die Objekte als störend empfindet, wo er sich Skills aneignet, um mit ihnen fertig zu werden, wenn man ihnen nicht ausweichen kann. Objekte sind gleichsam Ausrüstung, die hilfreich sein soll.

Der Oknophile verleugnet das Getrenntsein vom Objekt, er entwickelt die Fähigkeit, innige Objektbeziehungen zu entwickeln und aufrechtzuerhalten – dies hat für den Philobaten höchstens zweitrangige Bedeutung.

Was ist nun gesünder? Sich ängstlich an die Liebeobjekte zu klammern? Die Angst zu haben, sie könnten sich ändern, sobald man den Kontakt verliert? Oder umgekehrt, die Objekte immer wieder fahrenzulassen im Vertrauen, dass man stets neue gewinnen kann, oder gar, dass man zu den alten zurückkehren kann und ihrer Zuwendung unverändert sicher sein darf?

Beide sind in ihrer Sichtweise nicht realistisch. Beide streben sie demselben entgegen. Das ozeanische Gefühl, der Flow, die freundlichen Weiten stehen symbolisch für die Ursituation, in Ur-Vertrauen Einssein mit dem Objekt. So sind die freundlichen Weiten dasselbe wie die furchterregenden Räume, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Sie bilden die Regressionsziele. Der Oknophile klammert sich an, je fester, um so geringer das Gefühl tatsächlich gehalten zu sein. Er bildet sich letztlich ein, das Objekt sei Teil seiner Selbst und könne es nicht mehr verlassen oder fallen gelassen werden, denn das wäre das Unglück erster Ordnung.

Der Philobat sieht die Objekte als getrennt von sich, die er entweder für sich erobert (aktive Liebe) oder vermeidet, dafür erlernt er Skills. Sie sind die Fähigkeit, sich mit der Realität auseinander zu setzen. Absolute Voraussetzung dafür ist die Erwerbung der Fähigkeit, dass man die Trauer auf sich nehmen kann, die entsteht, wenn man sich von den Objekten als getrennt erlebt.

“Die persönliche Geschicklichkeit ist die Quintessenz des Philobatismus: ohne Geschicklichkeit gibt es keinen Philobatismus. Das letzte Ziel des Philobaten ist indes, die Aufgabe so vollkommen und elegant zu meistern, daß das Können keine Anstrengung mehr verlangt. Nach Erlangen dieser höchsten Kunst kann sich die Wirklichkeit in eine Art Märchenland verwandeln, wo alles nach Wunsch geschieht und gar keine oder nur wenig Anstrengung vom Philobaten erfordert wird.” (Balint)

Um sich der Phantasie zu überlassen, dass in seinem Leben nichts geschehen kann, was nicht mit seiner Geschicklichkeit überwunden werden könnte, muss sich der Philobat einen erheblichen Grad persönlicher Fertigkeiten erwerben und seine Leistungen einer unablässigen, scharfen Realitätsprüfung und genauer Selbstkritik unterziehen. Die Progression geschieht um der Regression willen.

Rationale Welten erobert, in der der Flow erlebt werden konnte. Wenn meine Skills notwendig sind, die Anklammerung der Objekte verlassen. Und das verrückteste ist, den Skill innige Objektbeziehungen aufzubauen und Aufrecht zu erhalten zur Profession zu machen, und damit in die freundlichen Weiten aufsteigen können.
Und dann kam eine Erfahrung und damit eine Idee: immer diese freundlichen Weiten. Unbewusstes erkennt Unbewusstes unbeirrbar.

Andere sind genauso verletzt wie ich, aber sie sind einen anderen Weg gegangen, einen der mich angezieht wie ein Magnet. Objekte, die mich anziehen wie ein Magnet. Selbst nachdem Übertragungsbeziehungen verstanden sind, bleibt dennoch der oknophile Trieb, das Objekt haben zu wollen.

Das reflektiert weiss ich aber, dass es nicht mehr geht, selbst das Wünschen nicht. Mich überfällt dieser Verlust mit einer Trauer, die mein Herz zerreißt. Das Paradies gerade entdeckt, soll ich es wieder verlassen, weil nur die Trennung vom Objekt den freien Blick möglich macht.
Die Anklammerungswünsche müssen ausgehalten werden vom Objekt, zumindest zeitweise. Die Gegenwehr war für mich nicht sichtbar, nicht verständlich, gar nicht existent, weil es mein Weltbild störte, nicht passte. Vor allem waren da immer wieder Momente, in denen Nähe zugelassen wurde. Und in der Nähe hat der Philobat das Kunststück fertig gebracht, mich mit dem emotionalen Anteil der freundlichen Weiten zu infizieren. Körperlich er-fahr-bar, ohne Angst. In Abhängigkeit von jemand anders auf so einem philobatischem Gerät ohne Kontrolle zu sein. Und dann nicht nur die Abwesenheit von Angst zu erleben, sondern völlige Ruhe, Vertrauen. Die Schaffung eines Magneten, gleichsam die Schaffung eines sicheren Objektes in einer oknophilen Welt, ein inneres Bild von Ruhe.

Neben dem steten Ringen um Nähe und Vereinnahmung, Bezogenheit und Distanz, damit und daneben die Vermittlung von Skills, um in den freundlichen Weiten den Genuß des Augenblicks zu erlangen, auf dem Motorrad und in der Übertragung. Trennung vom Objekt wird möglich, weil die Verleugnung der Schädigung durch das Objekt nicht länger aufrecht erhalten werden kann und muss.

Und nun soll ich das hilfreiche philobatische Objekt loslassen, das hilfreiche Objekt aufgeben, um es als Gegenüber erleben zu können, was auch schon vorher passiert ist. Um mir eine neue Welt zu eröffnen: "Es macht leichter, lockerer-in jeder Hinsicht."

Das Objekt nicht aufgeben, nur die Anklammerung aufgeben, die Funktion aufgeben, die Fähigkeit erwerben, allein sein zu können, aber die Freiheit behalten, Intersubjektivität und Bezogenheit erleben zu können. Und auch die Fähigkeit innige Objektbeziehungen aufzubauen und zu halten, zu erhalten und zu erleben.

Sonntag, 4. September 2011

Philobat I

“Angstlust und Regression” gerade hinter mit gelassen. Balint schrieb1959 ein Buch, welches mich heute berührt und mir eine neue Sicht gewährt auf Erfahrungen und mich sehr erleichtert, weil es mich frei macht von pathologischen Beschreibungen. Das Finden von Worten bleibt mein Weg zu internalisieren, also werde ich jetzt versuchen zu übersetzen, was dieses Buch für mich bedeuten kann.
Es wird unterschieden zwischen Philobaten und Oknophilen. Die Welt des Philobaten besteht aus freundlichen Weiten, die mehr oder weniger dicht mit gefährlichen und unvorhersehbaren Objekten durchsetzt sind. Die oknophile Welt baut sich aus physischer Nähe und Berührung auf, die philobatische Welt aus sicherer Distanz und Fernsicht. Der Oknophile vertraut darauf, dass sein Objekt ihn gegen dir leere, unvertraute und möglicherweise gefährliche Welt beschützen werde. Der Philobat hat das Gefühl, dass er mit seiner Ausrüstung gewiß mit jeder Situation fertig werden könne und er werde wohl trügerische Objekte zu vermeiden wissen.
Die philobatischen Haltungen hängen mit der Trennung vom Objekt und mit dem Blick danach aus der Distanz zusammen, mag diese noch so klein sein. Die Haltung kann sich erst entwickeln, wenn gefühlsmäßig die Tatsache anerkannt worden ist, dass Subjekt und Objekt getrennt existieren, daß also beide auch ohne engen Kontakt miteinander weiterleben müssen und werden. Die Anerkennung der Tatsache, dass Leben, Zärtlichkeit und Güte auch dann moch möglich sind, wenn man entweder zeitweilig oder für immer vom Liebesobjekt getrennt ist. Erst nachdem dies emotional bejaht wurde, ist man fähig, dem Liebesobjekt zu erlauben, nunmehr seinen eigenen Weg zu gehen und ihm gegenüber “Rücksicht” oder gar “ Nachsicht” zu üben.
Während der Oknophile sich bei Gefahr zusammenkauert und sich an das vermeintlich beschützende Objekt klammert, bietet der Philobat der Gefahr die Stirn, um sie im Auge zu behalten, hält sich von Objekten fern, die falsche Sicherheit bieten, und steht aus eigener Kraft aufrecht da. Ihm ist nur seine Freiheit wichtig, und anscheinend kümmert er sich nicht sehr darum, ob er geliebt wird oder nicht, da er gewiß ist, daß er nötigenfalls die Liebe eines jeden Objektes erringen kann, wenn er will.
“Letztlich kann das wirkliche Ziel niemals durch Anklammerung erreicht werden. Es besteht ja darin, vom Objekt gehalten zu sein, und nicht, sich verzweifelt daran anzuklammern, dieses Gehaltensein sollte erfolgen, ohne daß man auch nur den Wunsch danach äußern muß.”

Mittwoch, 6. Juli 2011

Übertragungsliebe in der Analyse

Die psychoanalytische Behandlung ist der "Versuch, verdrängte Liebe zu befreien!" (Freud 1907)
Die Behandlung scheitert, wenn das unbewusst geliebene Zusammenspiel zweier Lebensgeschichten in einer aktuellen Inszenierung das traumatische Geschehen zur Wiederholung zwingt. Welche Elemente beider Biographien lösen die Dynamik dieses Zusammenspiels aus?
Freud schreibt in der nachträglichen Reflexion über die Liebesbeweise seiner Patientin diese nicht der Unwiderstehlichkeit seiner Person zu, sonder er "entwickelte die Vorstellung, dass die Gefühle und Wünsche dieser Patientin wahr und falsch zugleich sein könnten: Einerseits galten sie ihm, dem anwesenden Manne, andererseits waren es 'falsche Verknüpfungen', die den Beziehungswunsch mit ihm statt mit einer anderen Person aus der Vergangenheit der Patientin in Verbindung brachte".

Freud trifft die Unterscheidung zwischen "falscher Verknüpfung" und " unanstössiger Übertragung", zwischen neurotischer und nicht-neurotischer Übetragung "aus Gründen der therapeutischen Zweckmässigkeit in defensiver Absicht. Der Nutzen dieser Unterscheidung lag zunächst darin, daß er die intensive Arbeit und persönliche Beteiligung des Analytikers in der von infantilen, neurotischen Wünschen und Phantasien geprägten Übertragungsbeziehung erlaubt, weil sie daneben die Sicherheit einer relativ unneurotischen Beziehung bietet.  Die unanstössige Beziehung ist eine Bedingung dafür, dass die Neurose im Feuer der Übertragung 'schmelzen' kann, weil sie sicherstellt, daß dieser Brand auf ein Nutzfeuer begrenzt bleibt."

Es gibt Frauen, die jeden Widerstand aufheben, wenn man sie nackt sieht. Vielleicht ist das Preisgeben des Inneren eine psychische Exhibition, die einer völligen Hingabe gleich kommt. Erst die Liebe macht es ihnen möglich, sich in dieser Entblößung zu zeigen und die Entblößung zwingt sie, uns zu lieben. Und hinter ihrer Liebe lauert die Erwartung einer Gegenliebe. Von sexuellen Dingen zu reden ist "eine Realität im Sinne von psychischer Realität, diese Realität ist eine Verführung; von der Verführung zu reden, ist eine Verführung". (Neyrauth, 1976)

Die Patientin "hat von ihm (dem Analytiker) die Überwindung des Lustprinzips zu lernen, den Verzicht auf eine naheliegende, aber sozial nicht eingeordnete Befriedigung zugunsten einer entfernteren, vielleicht überhaupt unsicheren, aber psychologisch wie sozial untadeligen".

In der Übertragungsneurose verspürt der Analysand erotisch-sexuelle Wünsche gegenüber dem Anderen, dem Analytiker, und muss lernen, dass man den Anderen trotzdem oder gerade dadurch so nahe kommen kann, dass man sich eingesteht und auf die körperliche Verwirklichung verzichtet. "Wenn einer der nach Liebe greift, dabei immer nur Geschlechtsteile in die Hand bekommt, so ist das zwar für ihn charakteristisch, nicht aber für die Liebe."

In der Übertragung festigt sich der Ur-Wunsch des Patienten, ohne Bedingung geliebt zu werden. Für ihn ist die Ur-Form der Liebe so zentral, dass der Narzissmus nur ein Umweg ist, um von sich selbst das zu erhalten, was in früherer Zeit vermißt worden war.

Blum (1973) diagnostiziert bei diesen Patientinnen narzisstische und präödipale Aspekte hinter der ödipalen Fassade, vertritt aber die Ansicht, dass die erotisierte Übertragung durchaus Teil einer analysierbaren Übertragungsneurose sei, weil sie als verzerrter Versuch gesehen werden muss, ein Kindheitstrauma durch aktive Wiederholung zu überwinden.
Manchmal könnten die unbewussten Bedürfnisse des Analytikers zu einer Mesalliance mit dem Patienten führen, wo die erotischen Begierden des Patienten durch das verführerische Verhalten des Analytikers hervorgerufen werden.

 Die Grundannahme besteht darin, daß das Unbewußte des Analytikers das Unbewußte des Patienten versteht. Dieser Rapport in einer tiefen Schicht kommt in Form von Gefühlen an die Oberfläche, die der Analytiker in Antwort auf seine Patienten wahrnimmt, in seiner 'Gegenübertragung'.

Die technische Kunst des Analytikers liegt nun darin, die lustvollen Spannungen in sich nicht nur anklingen zu lassen, sondern sich anhaltend stimulieren zu lassen und atmosphärisch empatisch mitzustimulieren. Das setzt beim Analytiker die relativ angstfreie und freiwillige Aufhebung des Inzesttabus voraus, bei gleichzeitig aktivem nicht normativem Lustverzicht.

Nimmt der Analytiker die Übertragung voll an, so muß er sich auch in die Vorstellung hineinversetzen können, Liebhaber seines Patienten zu sein. Vorurteilsfrei und unbefangen sollte er in der Lage sein, ohne Hemmungen etwas zu denken, was das Inzest-Tabu der Menschheit zu denken- und erst recht zu tun- verboten hat. Er muss fähig sein zu denken, was die Abstinenz ihm zu tun verbietet, weil es die analytischen Erfordernisse gebieten.

Freud: "Jede psychoanalytische Behandlung ist ein Versuch, die Liebe zu befreien."
Hierbei ist es nicht unerheblich, ob die Überetragung des Patienten eine Gegenübertragung beim Analytiker auslöst und ob die Liebe des Patienten direkt die Gegenliebe des Analytikers weckt, ob sich das emotionale "Angebot des Analytikers" im " Echo des Analysanden " bricht.
Eine Frau sucht in Hoffnung auf Heilung von ihren Symptomen einen Psychoanalytiker auf, mit dem unbewußten Wunsch, ihn dazu zu verführen, sie bedingungslos zu lieben.

Der Analytiker weiss, dass er in seinem Begehren, Analytiker zu sein, versuchen wird, die Analysandin zu verführen, ihre Liebe hervorzulocken, sie zur Liebe geradezu zu zwingen. Doch bevor sie einander wirklich begegnen können, müssen beide die "einst frisch gedeckten Tische ihrer Kindheit" verlassen. Es genügt nicht, dass der Analytiker als verspäteter Gast am Tisch der Analysandin Platz nimmt; es kann sein, dass die Spuren der Gäste am Tisch der einen, die dort "gegessen, gefressen, gewütet, gefastet, verachtet, verschlungen, gestohlen und getrunken haben", auf die Zeichen eines verwühlten Liebesnestes des anderen treffen, wo "geschmust und gestreichelt, umarmt, geküßt, verführt und geliebt, geschlagen und gequält, ausgebeutet und benutzt, beherrscht und vergewaltigt, sexuell erregt und sexuell begehrt" wird. Möglicherweise entsteht dann das, was Ferenczi die Sprachverwirrung zwischen dem Erwachsenen und dem Kind nennt: der Dialog entgleist, und der Diskurs der Liebe kann gar nicht erst beginnen. Wenn die beiden sich begegnen wollen, dann müssen sie sich von den vertrauten Plätzen erheben und sich gemeinsam zu unbekannten Orten aufmachen, nachdem sie festgelegt haben, in welchem Rahmen das vor sich gehen soll.

In dieser Sichtweise ist gut zu erkennen, daß die Patientin in ihrer Übertragungsverliebtheit auf infantile Erlebnisse und Konflikte zurückgreift, aber wir erfassen weniger gut, daß die Patientin gleichzeitig als erwachsene Frau unübersehbar einen ernstgemeinten, der realen Person ihres Analytikers geltenden Beziehungsversuch unternimmt. So sehr ihre Libido zurück-fluten mag, so sehr meint sie doch ihn und keinen anderen.